Die Schule vernichtet die Lust am Lernen, wieso eigentlich?

Veröffentlicht am: in der Kategorie: Besser Lernen

Schule soll die Lust am Lernen fördern, statt dessen vernichtet sie diese. Die Lust am Lernen ist bei jedem Menschen sehr stark ausgeprägt, bis wir in die Schule geschickt werden. Ab diesem Moment nimmt das Vergnügen neues Wissen zu erschließen kontinuierlich ab.In der ersten Precht Sendung (ZDF) spricht der Philosoph Richard David Precht mit dem Hirnforscher Gerald Hüther. Das Interview ist äußerst Interessant. Einige Auszüge aus diesem Interview liefern die Antwort auf die Frage: wieso ausgerechnet die Schule, die Lust am Lernen vernichtet.

Kinder die heute eingeschult werden, gehen im Jahr 2070 in Rente. Weit in der Zukunft. Wir aber überhäufen sie mit einem Wissen, das aus der Vergangenheit stammt. An unseren Schulen werden die Kinder von den falschen Leuten, mit den falschen Methoden mit den falschen Dingen unterrichtet.

In der Philosophiesendung Precht Spricht Richard David Precht mit Gerald Hüther über das Thema: und liefert dabei die Antwort auf die Frage warum vernichtet ausgerechnet die Schule, die Lust am Lernen: 

Das Schulsystem ist leider völlig veraltet. Das sagen nicht nur Gehirnforscher wie Gerald Hüther oder Persönlichkeitstrainer und Berater Sir Ken Robinson. Das erkennen auch die Eltern und die Schüler selbst. Das das Schulsystem nicht mehr zeitgemäß ist, wird daran deutlich, dass die „Kunden" der Schule, die eine solche Bildungseinrichtung mit einem gewissen Potenzial an Neugierde, gestalterischer Lust und Kreativität betreten, verabschieden sich nur noch mit den Restwerten dieser Potenziale.

Ein Schulsystem, das nicht mehr zeitgemäß ist, vernichtet Kreativität und Lust am Lernen. 

Ein Kind, das Abitur macht, hat auf diesem Wege 100.000 Stunden Schulunterricht erlebt, erduldet, erlitten. Wenn mann sich anschließend die Frage stellt: Was sind aus diesen 100.000 Stunden eigentlich übrig geblieben? Dann wird das Ergebnis vermutlich ziemlich vernichtend ausfallen. Schon ein Erwachsener, der später mal die Aufgabe hat zu sagen, was hat er in seiner Abiturklausur geschrieben, was hat er in seinem achten Schuljahr gelernt, er wird feststellen ,dass der größte Teil des Wissens, den die Schule ihm vermittelt hat, wider in Vergessenheit geraten ist. Ist das nicht ein unglaublich ineffizientes System? Ist es nicht so, dass wenn die Schule ein Wirtschaftsunternehmen wäre, sie längst pleite wäre? Und ist es nicht so, dass wenn die Schule eine Gesellschaftsform wäre, diese Gesellschaft längst zusammengebrochen wäre, zerstört durch den Wiederstand der Bürger, die sich das nicht mehr länger gefallen lassen? Ist Bildung das was am Ende übrig bleibt wenn man alles das, was man in der Schule gelernt hat, wieder vergessen hat? 

Das ist wirklich eine Katastrophe. Die Zukunft eines Landes hängt davon ab, wie gut es einer Gesellschaft gelingt, Kinder auf diese Zukunft vorzubereiten. Unsere gegenwärtige Welt hat sich verwandelt. Unser Schulsystem ist in einer Zeit entstanden, die es nicht mehr gibt. Und wenn es uns nicht gelingt dieses Schulsystem so zu transformieren, dass Kinder aus dieser Schule herauskommen, die ihre Lust am Lernen und ihre Begeisterungsfähigkeit nicht, wie das jetzt schon der Fall ist, verloren haben, dann wird es unser Land auch in Zukunft nicht mehr geben. Hier hängt viel mehr dran, als nur eine Diskussion über Schule, hier geht es um die Zukunft einer Gesellschaft. 

Das heißt, dass es unsere Gesellschaft in 10 Jahren nicht mehr geben, oder wird es die Schulen wie wir sie kennen in 10 Jahren nicht mehr geben. Der Grund dafür: weil das System marode ist, weil die falschen Leute nach den falschen Methoden unsere Kinder in den falschen Dingen unterrichten? Nein, nicht unbedingt. 

Eher, weil wir es uns nicht leisten können, das wichtigste Potenzial, das wir haben, das ist diese Kreativität, die Entdeckerfreude, die Lust am Lernen von Kindern länger zu vergeuden. Das kann doch nicht sein, dass genau der Ort, wo man auf das Leben vorbereitet werden soll, wo man all das lernen soll, was man später mal braucht. Das man genau an dem Ort, die Lust am Lernen verliert. 

Wieso geht in der Schule die Lust am Lernen verloren?  

 Die Lust am lernen geht dadurch verloren, dass der größte Teil des Lernens in der Schule eigentlich daraus besteht etwas wiederzugeben, was bereits vorformuliert ist, oder Ziele die ein mal vorformuliert sind, ganz ganz genau nach vorgeschriebenem Weg zu erfüllen. Der Bildungsexperte Reinhard Kahl nennt diese Art von lernen Bulimielernen. Wir verfressen uns kurzfristig etwas an, bringen das ganze in der Klausur wieder raus, geben es von uns und anschließend dürfen es getrost vergessen. Und das ist der Grund warum langfristig von diesem Wissen nichts hängen bleibt, aber das ganze hat einen unangenehmen Nebeneffekt, nämlich diese Art von lernen zerstört Kreativität, diese Art von lernen mobilisiert die Kinder gegen die Schule und vor allen Dingen, die Kinder können das was sie in der Schule lernen nicht mit Bedeutung füllen, sie können keinen Sinn abgewinnen. Warum machen wir so eine Veranstaltung eigentlich? Also warum hört man nicht längst auf Menschen wie Sie, die sich mit Lernen beschäftigen, die sich mit dem Gehirn beschäftigen, die sich mit der Entwicklungspsychologie beschäftigen, die sagen: diese ganze Veranstaltung, so wie sie an unseren Schulen stattfindet, ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß. 

Da gibt es zwei ganz einfache Gründe. Der eine liegt in unserem Hirn. Wenn man selbst durch so ein Schulsystem durchgegangen ist und es überstanden hat, dann glaubt man, dass das OK ist. Dass auch die Kinder, die eigenen Kinder aushalten müssen, dass das sogar notwendig ist, dass man so lernt, weil man sich aufs Lernen sonst nicht vorbereiten kann. Ich habe mal in einem Vortrag das so dargestellt und dann stand da aus der ersten Reihe einer auf und sagte: „Ja, aber wie Sie die Schule sehen, dass kann doch gar nichts werden, und ich selbst habe auch in der Schule gelernt, wo ich noch mit Belohnung und Bestrafungen dazu gezwungen worden bin, mir das Wissen anzueignen und heute bin ich Professor." 

Am Anfang war ich Sprachlos und dann habe ich ihm gesagt, wer weiß was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie mit Lust und Begeisterung hätten lernen können. ein Nobelpreisträger... vielleicht. 

Quelle: ZDF, Sendung "Precht"Â