Warum nutzen gestresste Menschen andere Gehirnregionen als nicht gestresste?

Veröffentlicht am: in der Kategorie: Gehirn und Neurologie

Zwei Kognitionsforscher aus der Ruhr-Universität Bochum haben anhand einer Studie belegt, dass gestresste Personen andere Gehirnregionen beim Lernen nutzen, als Personen die nicht unter Stress gesetzt werden. Dabei sind zwei Hormone für das Hin- und Herschalten der aktiven Gehirnregionen verantwortlich: Yohimibin und Cortisol.

Stress beeinflusst die Gehirnregionen die beim Lernen und Lösen von Aufgaben eingesetzt werden. Das wissen sicherlich viele. Die Erkenntnisse, dass man unter Stress nur auf beschränkte Kapazitäten im Gehirn zugreifen kann, wogegen in stressfreier Umgebung gezieltes Anwenden von Lernstrategien möglich ist. Das kann man mit dem Agieren und dem Reagieren vergleichen. Unter Stress reagiert das Gehirn auf Reize von Außen. In stressfreien Umgebung hat es die Möglichkeit zu agieren - also durchdacht, taktisch und strategisch vorzugehen.

Wer gerne Bücher zu Themen Gehirn, Lernen und Kompetenzentwicklung liest, hat sicherlich davon erfahren, dass Personen unter stress anders das Gehirn nutzen, als Personen die nicht gestresst sind. In diesem Sinne finde ich das Ergebnis der Studie von Privatdozent Dr. Lars Schwabe und Prof. Dr Oliver Wolf nicht gerade Bahnbrechend. Das Studie liefert aber detaillierte Erkenntnisse in Bezug auf verschiedene Gedächtnissysteme im Gehirn die aktiviert werden oder auch abgeschaltet bleiben, abhängig vom Stressniveau, auf das ein Proband gebracht wird.

Aber warum genau nutzen gestresste Menschen andere Gedächtnissysteme im Gehirn, im Vergleich zu nicht gestressten? Was macht den Unterschied aus und was bewirkt dieser?

Ruhr-Uni-Bochum-Stress-Hormone-Lernen-Untersuchung.jpg

Die Autoren der Studie sind Prof. Dr. Oliver Wolf und PD (Privatdozent) Dr. Lars Schwabe, Lehrkräfte an der Ruhr-Universität Bochum. Die Ergebnisse wurden publiziert in der Zeitschrift Journal of Neuroscience. Zu beobachten war, dass gestresste Personen unbewusste Entscheidungen getroffen haben. Dagegen Personen, die nicht unter Stress gesetzt wurden, bewusste und durchdachte Lernstrategien nutzten. Dadurch lässt sich eine Aussage treffen, dass der Stress eine maßgebliche Bedeutung im Bezug auf die Aktivierung verschiedener Gedächtnissysteme im Gehirn hat.

Was für ein Experiment wurde durchgeführt?

Insgesamt nahmen 59 Testpersonen an der Studie teil. Für die Untersuchung war es notwendig, dass die hälfte der Probanden in Stress versetzt waren, die andere Hälfte dagegen nicht gestresst sein dürfte. Um dies zu erreichen müsste die Hälfte der Teilnehmer eine Hand im kalten Wasser eintauchen und drei Minuten lang unter Wasseroberfläche halten. Die Teilnehmer waren videoüberwacht, das Wasser was einskalt. Laut der Analyse der Hormonen, wurden die Testpersonen dadurch in Stress versetzt.

Die zweite Hälfte der Testpersonen, die nicht unter Stress gesetzt werden durften, haben die Hand in ein warmes Wasser gehalten. Nach diesem Vorgang müssten die beiden Gruppen einen Test durchführen. Dabei handelte es sich um Wettervorhersagen. Unterschiedliche Karten mit Symbolen wurden mehreren Wetterlagen zugeordnet. Anhand von den Symbolen müssten die Testpersonen eine Wettervorhersage treffen. In der Lernphase könnte man im Kernspintomografen beobachten, dass die gestresste und die nicht gestresste Testpersonen unterschiedliche Gehirnareale benutzen, um die Wettermuster in Verbindung mit Symbolkarten setzen zu können.

Die Aussage der Studie in Bezug auf Lernen und Gedächtnis

In Bezug auf Lernprozesse, die im Gehirn ablaufen, kam die Studie zum folgenden Ergebnis: Stress hemmt bewusste Lernprozesse. Denn gestresste Teilnehmer könnten ihre Lernstrategie verbal nicht zusammenfassen. Die Entscheidungen, die auf Wettervorhersagen gefallen waren, eher aus dem Bauch heraus getroffen waren. Außerdem wurde im Kernspintomografen beobachtet, dass bei dieser Probandengruppe das Gehirnareal namens Striatum im Mittelhirn aktiv war. Striatum ist verantwortlich für unbewusst ablaufende Prozesse, vor allem beim Lernen.

Die Probandengruppe, die nicht gestresst war, zeigte in den Hirnscans Aktivitäten in einer anderen Gehirnregion - im Hippokampus. Im Gegensatz zu Striatum ist Hippokampus für das Langzeitgedächtnis verantwortlich. Man kann sagen: ohne Aktivität im Hippokampus kein Langzeitgedächtnis und Langzeitlernen möglich.

Wer etwas tiefer in die Gehirnforschung geht wir sicherlich staunen. Denn das Unbewusste im menschlichen Gehirn funktioniert viel schneller. Sehr häufig ist man auch in der Lage aufgrund von sehr vielen Daten, eine richtige Entscheidung zu treffen. Das Bauchgefühl ist häufig richtig. Jetzt erfährt man durch die Untersuchung von Prof. Dr. Oliver Wolf und Dr. Lars Schwabe, dass genau die gestressten Personen auf das unbewusste Lernen zurückgreifen konnten und nicht die ungestressten. Dagegen bedienten sich die nicht gestressten Probanden ausschließlich logisch nachvollziehbaren und verbal erklärbaren Lernmethoden und Lernmuster die bewusst ablaufen.

Bewusstes Lernen ist viel langsamer als unbewusstes. Das Unbewusste wiederum ist blitzschnell! Was ist denn jetzt besser?

Das Problem mit unbewusstem Lernen
Das Problem mit unbewusstem Lernen liegt darin, dass man sich darauf nicht immer verlassen kann. Wenn etwas bewusst und langwierig gelernt wurde, kann es in einer Stresssituation angewandt werden. Häufig sind die unter Stress und Druck getroffenen Entscheidungen besser als die bewussten langanalysierten Entscheidungen. Denn unter Stress hat das Gehirn die Möglichkeit auf die vorhandenen Ressourcen zuzugreifen, vorausgesetzt, die Ressourcen sind da (also etwas wurde früher bewusst gelernt).

Wenn einem aber die Wissens-Ressourcen fehlen, ist das Lernen unter Stress sicherlich keine gute Methode um sich zuverlässig auf Prüfungen vorzubereiten. Dann kann man sich auf das unbewusst gelernte leider nicht verlassen. Denn man weiss nicht genau was man gelernt hat. Es ist dann eine reine Glückssache.

Quelle: Stresshormone schalten Hirnregionen für zielgerichtetes Verhalten