Wieso handeln dieselben Menschen in manchen Situationen moralisch und in anderen unmoralisch?

Veröffentlicht am: in der Kategorie: Die Welt

Es gibt Menschen, die Situationsabhängig manchmal nach moralischen Prinzipien handeln, manchmal wiederum diese Prinzipien vergessen. Wieso handeln ein und dieselben Personen mal moralisch und dann wiederum unmoralisch? Die Antwort lautet: Das hängt mit den Ebenen der Vernunft, mit denen uns Biologie ausgestattet hat.

Warum sind Menschen überhaupt zu Moral fähig? Das mag kurios klingen, aber jeder von uns hat schon mal Situationen erlebt, in denen wir selbst oder uns bekannte Menschen, sich ein mal moralisch verhalten haben, ein anderes mal aber höchst unmoralisch handelten.

Wir sind unglaublich komplexe Wesen. Es ist aber bis heute noch unklar, mit welchen moralischen Eigenschaften uns die Natur ausgestattet hat. Denn wir verfügen über eine sinnlich affektive Tötungshemmung, dadurch bringen wir uns nicht ohne weiteres wechselseitig um. Auch die Fähigkeit zur Mitgefühl ist in uns stark verankert. Schließlich verfügen wir über einen elementaren Sinn für Unfairness, die uns widerfährt. Mit Hilfe unseres Mitgefühls sind wir in der Lage diesen Sinn auch auf die anderen auszudehnen. Somit können wir uns vorstellen, das Dinge die mir selbst ungerecht erscheinen, auch von anderen als ungerecht wahrgenommen werden können.

Der Philosoph Richard David Precht meint, dass dies nur die erste Ebene unserer biologischen und evolutiven Ausstattung ist. Auf der höheren Ebene beschäftigen wir uns mit anderen Fragen. Und zwar damit, wann machen wir Gebraucht von diesen Sinnes-Fähigkeiten, wann setzen wir unser Mitgefühl oder Sinn für Unfairness ein?
Auf dieser höheren Ebene entscheidet sich nämlich, was bestimmte Menschen dazu bringt, moralisch zu handeln in einer Situation, und unmoralisch in einer anderen Situation.

Wenn unsere Empathie als biologisches Erbe bezeichnet werden kann, dann müsste auch das Gegenteil - also unsere Ambivalenz und unmoralisches Verhalten, auch aus dem Kontingent des biologischen Erbe entstammen. Unser Verhalten hängt auch davon ab, wie wir uns selbst definieren und ob wir stärker nach Kooperation oder doch nach Rivalität streben.

Kooperation oder Wettbewerb?

Was ist in den Menschen stärker ausgeprägt, der Drang zu Kooperation, oder der Drang zum Wettbewerb?

Die Fähigkeit zu Kooperation ist bei Menschen auf jeden Fall stärker ausgeprägt als die Fähigkeit zum Wettbewerb oder alle anderen Sinnesempfindungen, wie bspw. Wut, Ärger, Hass und Angst.
In vielen Büchern kann man lesen, dass die Autoren eher im gewissen Gleichgewicht schweben und sowohl der Fähigkeit zu Kooperation als auch der Fähigkeit zum Wettbewerb gleiches Potenzial zumuten. Es gibt sogar Autoren die meinen, dass es durch aus Individuen geben kann, die viel größeres Bedürfnis nach Wettbewerb haben als sich sich nach Kooperation sehnen. Das ist aber falsch.
Am Folgendem Beispiel erkennt man deutlich, dass es keine Balance zwischen Kooperation und Wettbewerb gibt. Um es noch deutlicher zu sagen, dass der Drang zu Kooperation und Miteinander viel stärker ist, als der Drang zum Wettbewerb.

Leider neiden die Menschen dazu, die Rivalität, also den Drang nach Wettbewerb, an sich zu übertreiben. Immerhin kommt man im Berufsleben mit anderen Menschen, die man ja am Tag viele trifft, relativ gut klar. Bei einer Theater- oder Kinovorführung beobachtet man das gleiche: wir sind in der Lage über zwei Stunden lang mit Fünfhundert anderen Menschen zu sitzen und sich den Film oder das Theaterstück anzuschauen, ohne dass es zu Aggressionen im Publikum gegeneinander kommt. Und diesen Zustand beachten wir auch noch als normal, und als erwartet. Keiner kommt aus dem Kino raus und meint, schade, so langweilig, ich habe erwartet, dass mindestens eine von den zwei Stunden, die ich dort verbracht habe, bloß auf Schlägereien mit anderen Kinobesuchern draufgehen.
Das zeigt doch, wie kooperativ und friedfertig in den meisten Lebenssituationen die allermeisten Menschen sind. Wir alle kennen auch die Rivalitäten, den Hass, den Ärger und die Frust. Aber während eines normalen Tages, kommt es relativ selten zu unkontrollierten Wutausbrüchen, unbeherrschbaren Hassangriffen oder kaum zu beherrschbaren Frustgefühlen. Diese Emotionen spüren wir zwar gelegentlich, aber extrem selten so stark, dass wir nicht mehr der Herr dieser werden können.
Damit sind die allermeisten Menschen in unserer Kultur deutlich stärker kooperativ als rivalisierend.