Anpassung und Optimierung der Applikation für Migranten

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Eine weitere Testphase des Prototypen der Applikation für Migranten offenbart weitere Optimierungsmöglichkeiten.

Die Veränderungen konnten direkt auf dem Paper-Prototypen und den einzelnen Screens markiert werden. An dieser Stelle offenbarte sich die Vorteilhaftigkeit der Papier-Skizzen. So wurde unmittelbar deutlich, dass wir beim Erstellen des Paper-Prototypen an einigen Stellen den „Zurück- Button" versehentlich weggelassen haben. Umfangreichere Bemerkungen und Vorschläge der Nutzer wurden in einem Error-log Protokoll festgehalten.

Die Evaluationsrunde hat uns auch offenbart, dass der Vorschlag „Button: Einstieg Schritt für Schritt" als kleine Subapplikation in Form von Checklisten umgesetzt werden kann. Die Vorgänge die beim „Schritt für Schritt" Vorgehen absolviert werden müssen sind teilweise komplex und setzen sich zusammen aus mehreren Teilvorgängen. Für Einschreibung an einer Universität ist eine Reihe an Dokumenten notwendig, die der Bewerbung beigefügt werden sollen. Es ist ein Prozess der aus mehreren über die Zeit verteilten Teilprozessen besteht. Bei einer Registrierung für einen Sprachkurs, ist ein solches Vorgehen nicht notwendig. An dieser Stelle wurde uns klar, das wir uns intensive Gedanken über die Struktur dieser Funktionalität machen müssen.

Experience Design

Neben der Usability ist das Experience Design in der HCI-Forschung ebenso wichtig. Es ist ein Indikator für die persönlichen Ziele der User mit dem Gerät, dass er gebraucht. Hierzu zählen unter anderem Emotion, Spaß, Werte, Identifikation, die er mit und durch den Gebrauch mit unserer App (oder jedem anderen technischen Endgerät) hat. Anhand der „Four Pleasures" nach Patrick W. Jordan gibt es vier Empfindungen, die durch Freude oder positive Erwartung entstehen, die durch ein technisches Endgerät ausgelöst werden können. (Vgl. Jordan 2013). Diese Gefühlszustände des Menschen können auf vier Ebenen aufgeteilt werden:

  • Physio Pleasure: Direkte Freude, durch sensorische Eindrücke > Socio-Pleasure: Freude durch soziale Nutzung eines Produkts > Ideo-Pleasure: Allgemeiner, gesellschaftlicher Geschmack
- Psycho-Pleasure: Mentale, innere Reaktion Bei der Entwicklung unserer App achteten wir darauf, dass auch die Seite des Experience Design berücksichtigt wird, da nur eine Akzeptanz bei den Nutzern die App zu einem Erfolg werden lässt.

Vor allem die Möglichkeit sich mit der App mit Facebook zu verbinden, und hierbei mit einer größeren Gruppe von anderen Migranten in Kontakt treten zu können, ist ein Anreiz für den Nutzer die App zu gebrauchen, stellt aber gleichzeitig auch eine Distributionsmöglichkeit der App durch das soziale Netzwerk Facebook dar. Inwieweit die App letztendlich den Ansprüchen des Jordanschen Experience Design genügt, soll ein User-Test in Anschluss an die Kreierung eines weiteren Prototypen feststellen.

Nicht alle Erfahrungen die ein Nutzer während der Interaktion mit einer Applikation erlebt, können beobachtet, mitgeteilt oder festgestellt werden. „Thinking aloud" hilft zwar den Gedankengang des Nutzer nachzuvollziehen und die Herleitung seiner Erwartungen zu verstehen, der größte Teil der Reize wird jedoch unbewusst verarbeitet. Um an die unbewusste Prozesse zumindest teilweise näher zu kommen haben wir einen High-Fidelity Prototypen mit Hilfe des Tools Axure erstellt und zusätzlich dazu eine Kameravorrichtung gebaut, die sowohl die Interaktion mit der Applikation als auch das Gesicht des Probanden aufzeichnet. Das Ziel ist es den Gemütszustand und die Gesichts- Mimik des Probanden in Verbindung mit der Interaktion zu setzen. Dadurch lassen sich möglicherweise Reaktionen feststellen, die auf Fehler oder Missverständnisse hindeuten, die aber verbal nicht geäußert und anderweitig nicht beobachtet werden können. Mit Hilfe dieses Tests ist es möglich auf die von Jordan erwähnten „Ideo-Plesure" und „Psycho-Plesure" einzugehen. Im Folgenden wird die Vorrichtung detaillierter vorgestellt.

Die von uns entworfene Aufzeichnugsvorrichtung besteht insgesamt aus drei Smartphones. Auf Das erste Smartphone dienst als Testgerät für den Axure Prototypen. Auf diesem Gerät wird der Axure Prototyp angezeigt, dessen Funktionalität sich bis zu drei Klick-Ebenen erstreckt. Ein Proband interagiert auf diesem Gerät mit der Applikation und versucht Informationen zur Immatrikulation für ausländische Studierende herauszufinden. Er wurde auch gebeten seine Eindrücke zu verbalisieren. Ein weiteres Smartphone wird über dem ersten Gerät im Gestellt angebracht und dient als Kamera, die Fingerbewegung, Klick-Reihenfolgen und im allgemeinen die Interaktion mit dem Axure Prototypen aufzeichnet. Weiter oben wird das dritte Smartphone an dem Gestell angebracht und dient als Gesichtskamera, die die Mimik des Probanden und den Ton aufnimmt.


Während des Tests nehmen also zwei Kameras parallel das Geschehen auf, ein mal was „auf dem Smartphone" passiert und ein mal was „über dem Smartphone passiert. Die auf diese Weise erstellte Aufnahmen lassen sich dann zusammenfügen, so dass die Gesichtsausdrücke die Fingerbewegungen auf dem Smartphone ergänzen. Während des Tests mit einem Studenten ausländischer Herkunft konnten wir feststellen, dass unsere Aufzeichnungsvorrichtung noch recht optimierungsbedürftig ist, vor allem in der Handhabung. Der Benutzer musste sich teilweise sehr darauf konzentrieren, die Vorrichtung so zu halten, dass der gleichzeitig den Entwurf der Applikation in Axure bedienen konnte. Dadurch war seine Aufmerksamkeit stark beeinträchtigt. Andererseits konnten wir beobachten, dass die Grundidee, möglichst viele Informationen aufzunehmen und sie dann bei der Analyse zu bündeln, auch sehr vorteilhaft war. Teilweise war die umständige Bedienung darauf zurückzuführen, dass wir zwei zusätzliche Smartphones zwar verwendet haben, allerdings ausschließlich als Kameras bzw. Bild/ Ton Aufzeichnungsgeräte. Bei einer späteren Entwicklung wäre es ratsam möglichst keine Kameras zu verenden, die den Benutzer beim Test so wenig beeinträchtigen wie möglich.

Des Weiteren wurde deutlich, dass diese Art der Evaluation weniger für Prototypen und viel mehr für eine erste Version des Endproduktes geeigneter ist. Da Unser Axure Prototyp nur über eine Navigationstiefe von drei Ebenen verfügte, kam der Proband recht schnell die Grenzen der Applikation. Jede fehlende Funktionalität, wie beispielsweise nicht programmierte Verknüpfung mit Facebook, stellte sich als als irritierend heraus. Womöglich lag das daran, dass ein Benutzer, der einen Prototypen der Applikation auf einem Handy testet, schnell vergisst, dass es sich um einen Prototypen handelt. Vor allem, wenn die Screens wie eine fertige Applikation aussehen, verleiht das die Benutzer dazu, möglichst viele Funktionen der Applikation auszuprobieren. Wo möglich wäre ein Test mit einer solchen Kamera-Vorrichtung vorteilhafter, wenn es mit einer fertigen Applikation durchgeführt wird.

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Autor: Krzysztof