Herbi: Smartphone Applikation zum Natur entdecken und dabei Pflanzen lernen

Veröffentlicht am: in der Kategorie: HCI

Dokumentation zum Projekt Herbi: einer Applikation für Kinder zum Erlernen von Pflanzen (lokalen Flora) in der Umgebung, in der sie leben. Das Ziel der Applikation ist: die Kinder dazu zu bewegen, mehr Zeit draußen zu verbringen, Natur zu entdecken und Pflanzen zu lernen.

Prototyp der Applikation Herbi, die es ermöglicht, Natur zu entdecken und dabei Pflanzen zu lernen.

Ziel der Übung:

Einen Lerngegenstand entwickeln, der mit bestimmten Medien gelernt werden soll. Freie Kompetenzentwicklung, angemessen für den Lerngegenstand. Die Lösung soll Diskussion anregen.

*Zusammenfassung: * Die folgende Arbeit thematisiert die Entstehung von „DAS HERBI", einem konzeptionellen Entwurf einer Smartphone Applikation zum Lernen und Erkunden der Flora für Kinder im Alter zwischen 8 und 12 Jahren. Das primäre Ziel dieser Applikation ist das Beherrschen des Lerngegenstandes, in diesem Fall das Erlernen der lokalen Flora. Dabei erfolgt das Lernen unter Berücksichtigung von sozialen Aspekten. Durch die Übernahme der Rolle eines Jury­-Mitglieds werden die Lernenden zu Lehrenden. Die Lernenden erfahren die Natur im sozialen Austausch und mit möglichst reicher Perzeptibilität. Damit wird ein holistischer Lernansatz angestrebt.

I. Einleitung

„Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können." Dieses angeblich von Konfuzius stammende Zitat verdeutlicht, dass wir einerseits auf unterschiedlichen Wegen lernen können und andererseits, dass wir unterschiedlich effektiv lernen können. Je mehr Sinne in den Lernprozess einbezogen sind, desto effektiver der Lernprozess. Dabei spielen die emotionale Ebene sowie die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen etwas Neues zu erfahren, eine erhebliche Rolle. Unter reicher Perzeptibilität wird das Erleben mit allen Sinnen verstanden. Dies nicht durch das Lernen mit einem Buch oder mit einem anderen Medium erreicht werden, sondern durch den reellen Kontakt mit der Natur in der Umgebung und durch den Austausch mit Gleichgesinnten.

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Um möglichst viele Sinne beim Lernprozess einzusetzen, eine neue Erfahrung zu erleben und dies auch mit anderen zu teilen, haben wir eine Smartphone Applikation konzipiert. Diese Applikation ist für Kinder im Alter zwischen 8 und 12 Jahre bestimmt. Unser Ziel war es, die Jugendlichen dieser Altersgruppe weg von ihren Computern zu bewegen und hinaus in die Natur zu schicken. Auswahl des Lerngegenstandes Der Lerngegenstand ist das Erlernen von Informationen über die lokale Flora. Hierbei steht die Aktivität des Lernenden im Fokus sowie der vielfältige Einsatz der Sinne . Zentrale Bestandteile des Lernens beziehen sich auf:

  • Das erforschende und entdeckende Erleben der Natur
  • Wissen über die Bezeichnung der Pflanze erlangen
  • Das Erlernen des Bestimmungsprozesses
  • Kennenlernen der Bestandteile der Pflanzenkategorisierung
  • Beurteilung der Leistung anderer (Expertenrolle)

2. Auswahl der unterstützenden Technologie.

Welche Werkzeuge/Systeme bieten sich zur Vermittlung des Lerngegenstandes oder zur Unterstützung des Lernprozesses an? Für das Kennenlernen und Entdecken der Flora mit allen Sinnen musste ein Werkzeug bzw. eine Technologie ausgesucht werden, die es ermöglicht, den Lernprozess auch in der Natur und von unterwegs anzustoßen. Hierfür erschien eine Applikation für ein mobiles Endgerät sinnvoll. Das Gerät ist handlich, leicht und ausreichend klein, sodass es bequem auf Rundgänge durch die Natur mitgenommen werden kann. Durch die aktuellen mobilen Daten-Flatrates kann ebenfalls zu jedem Zeitpunkt auf eine Applikation zugegriffen werden. Außerdem ist ein Smartphone nicht nur als ein Mobiltelefon zu betrachten, sondern eher als ein kompakter, mobiler Computer, der eine Vielfalt von Funktionen bietet. Dies fördert die Neugier und den Entdeckergeist der Kinder in der oben angesprochen Altersgruppe zwischen 8 und 12 Jahren.

3. Funktionalität der Applikation

Bei der Smartphone Applikation DAS HERBI wird von dem Lernenden eine Pflanze aus der umgebenden Flora abfotografiert. Im nächsten Schritt soll diese Pflanze korrekt bestimmt werden. Dabei kann der Lernende selbst entscheiden, ob er die Bestimmung unmittelbar vornehmen möchte, oder aber sie erst später bestimmen wird.

Die Pflanze wird über Kategorisierung bestimmt. Es werden Fragen zu äußerlichen Merkmalen (Form, Farbe, Blütenzahl und weitere) gestellt, bis möglichst nur noch eine Pflanze in Frage kommt. Bei jeder Frage steht die Option „Ich weiß nicht" zur Verfügung.

Nachdem nur noch eine Pflanze in Frage kommt, kann der Lernende sein Bild mit einem Referenzbild in der Datenbank abgleichen. Ist er der Meinung, die Pflanze richtig bestimmt zu haben, kann der Lernende die Wahl bestätigen und damit das Ergebnis der Jury zur Beurteilung vorlegen. Ist der Lernende einer anderen Meinung, kann der Bestimmungsvorgang erneut begonnen oder aber abgebrochen werden. Für jede korrekte Bestimmung einer Pflanze erhält der Nutzer Punkte.

Ein Nutzer darf innerhalb der Applikation DAS HERBI nicht nur die selbst fotografierten Pflanzen bestimmen, sondern auch die der anderen. Dies ermöglicht die Jury­Rolle. Die Bestimmung in der Rolle „Jury" erfolgt auf die gleiche Weise, wie die Bestimmung eigener Pflanzen. Der Lernende kann pro Tag eine festgelegte Anzahl an fremden Pflanzen bestimmen. Dabei wird diese Art der Bestimmung mit deutlich weniger Punkten bewertet als die Bestimmung eigener Pflanzen.

Die Applikation stellt, außer der eigenen Pflanzensammlung, auch ein Lexikon mit wissenswerten Informationen über Pflanzen bereit. Die Funktion „Zum Nachlesen" ermöglicht Allgemeines über Pflanzenwelt zu erfahren. Ein Guide mit Erklärungen, wie man Pflanzen kategorisiert, dient dem Erlernen, wie Pflanzen korrekt bestimmt werden können.

4. Motivation

Im Laufe der Nutzung der Applikation sammelt der Lernende Punkte und Trophäen. Diese sollen ihn anspornen die Applikation intensiver zu nutzen und den Expertenstatus zu erreichen. Es besteht die Möglichkeit sich die bisher erlangten Trophäen anzuschauen, alle verfügbaren Trophäen zu sehen und die noch fehlenden Auszeichnungen anzuzeigen. Der Nutzer kann beispielsweise überprüfen welche Pflanzen in seiner Sammlung fehlen um die nächste Trophäe zu erreichen.

5. Punktesystem

Punkte können auf zwei Wegen erreicht werden. Zum einen durch die richtige Kategorisierung der Pflanzen. An dieser Stelle erfolgt die Validierung durch Jury. Zum anderen durch die richtige Kategorisierung der Pflanzen anderer Mitglieder. In diesem Fall erhält ein Nutzer Punkte als ein Juror. Über Fragen kann der Nutzer seine gefundene Pflanze kategorisieren. Stimmt die Kategorisierung mit der Jury überein, werden 10 Punkte gutgeschrieben. Wird die gleiche Pflanze ein zweites Mal kategorisiert, werden 5 Punkte vergeben. Bei einer dritten Wiederholung erhält der Nutzer 2 Punkte. Wird die gleiche Pflanze häufiger als 3 Mal kategorisiert, werden 0 Punkt vergeben. Dass man dem Lernendem auch für die wiederholte Bestimmung der gleichen Pflanzenart vorerst noch Punkte gibt, soll die Chance ermöglichen, dass eine Generalisierung stattfinden kann: Fritz denkt, dass es ein anderer Baum ist, es zeigt sich aber aufgrund der eigenen Bestimmung und die der Jury, dass es derselbe ist. Nach 2­3 Wiederholungen versteht er, was die Bäume alle gemeinsam hatten und dass es beispielsweise unerheblich ist, ob der Baum krumme oder gerade Äste hat Jedem Lernenden steht die Möglichkeit offen, die Kategorisierung Pflanzen anderer zu beurteilen. In diesem Fall werden die Pflanzen nach dem first in, first out (FIFO) Prinzip vorgeschlagen. In der Vorschlagsliste werden bis zu 10 zu Kategorisierung freigegebene Pflanzen angezeigt. 8 Punkte werden gutgeschrieben, wenn die Kategorisierung mit dem Ergebnis der anderen Beurteilungen zu 80% übereinstimmt. Dadurch soll gewährleistet werden, dass ein Lernender nur dann Punkte bekommt, wenn er die Kategorisierung richtig vornimmt. Gehört der Nutzer in der Kategorie, in der gerade eine Pflanze bestimmt wird, zu einem Experten, so zählt dessen Stimme doppelt.

6. Trophäen

Durch Trophäen sollen die Nutzer die Möglichkeit bekommen, für gewisse Pflanzen Experte zu werden. Das Erreichen der Trophäen ist abhängig davon, wie viele Pflanzen einer bestimmten Pflanzenfamilie kategorisiert wurden. Grundsätzliche Möglichkeiten sind: - allgemeiner Experte für Bäume, Sträucher, Stauden, Blumen, Gräser Experte für bestimmte Arten, z.B. Nadelbäume oder Laubbäume Experte für bestimmte Gattungen, z.B. Kernobstgewächs etc.

7. Sicherungsfunktionen

Die Belohnung durch Vergabe von Punkten und Trophäen kann möglicherweise die kreativen Nutzer dazu anregen, potentielle Schwachstellen im System auszunutzen, um sich Vorteile zu verschaffen. Damit die Applikation nicht zweckentfremdet verwendet wird, und damit am Lernziel vorbei genutzt werden kann, stehen folgende Sicherungsregeln zur Verfügung: 1. Anwender dürfen keine Bildschirme mit exotischen Pflanzen abfotografieren → "Missbrauch melden" Option für die Jury 2. Jury darf Pflanzen nicht absichtlich falsch bestimmen, um anderen Punkte zu verwehren → 80% Toleranzgrenze, keine Punkte für Falschbestimmung 3. Unabhängigkeit der Jury muss gewährleistet sein → zufällige Auswahl der zu bestimmenden Pflanze und keine Informationen zum Fotografen 4. Mehrfaches Fotografieren der gleichen Pflanze → "Diminishing Returns"­Effekt bei Bestimmung der gleichen Art (beim ersten Mal volle Punktezahl, dann immer weniger)

8. Konzeptbildung und lerntheoretische Grundlagen

Bei der konzeptionellen Gestaltung der Applikation DAS HERBI wurden unterschiedliche Lerntheorien berücksichtigt. Die lerntheoretische Verortung für diese Applikation findet aufgrund der Kategorienbildung und Konzepthierarchien in der Pflanzenbestimmung ihren Schwerpunkt im Kognitivismus. Da aber eine reine Beschränkung auf nur eine einzelne Lerntheorie kaum möglich ist, vereint die Applikation auch weitere Theorien. Das Belohnungsprinzip innerhalb der Applikation kann der behavioristischen Lerntheorie zugeordnet werden. Genauer gesagt handelt es sich bei der Punktevergabe um Behaviorismus mit operanter Konditionierung. Durch selbstbestimmtes Lernen aufgrund eigenständiger Nutzung der Applikation und dessen Inhalte, Entscheidungsfreiheit für die eigene Bestimmung aber auch sozialer Aushandlungsprozesse im Gruppenbestimmungsprozess besteht eine Brücke zur konstruktivistischen Theorie. Des Weiteren prägt die Anwendung ein konstruktivistisches Weltbild bei den Nutzern, weil sie in die Lage versetzt werden, die Pflanzen, die sie sehen, während des Zuordnungsprozesses zu rekonstruieren und somit die eigene Welt Schritt für Schritt zu erschaffen.

9. Limitationen

Die Applikation vereint mehrere Lerntheorien innerhalb eines Lernprogramms, allerdings nicht alle. Der Ansatz von Communities of Practice kann hier nicht eindeutig bejaht werden. Die Lernenden können zwar miteinander agieren. Sie verfolgen jedoch kein gemeinsames Ziel. Jeder Benutzer identifiziert selbst für sich seine Pflanzen. Des Weiteren kommt es nie zu einer Begegnung der Nutzer der Applikation. Die Kommunikation innerhalb der Jury-­Funktionalität und der Bewertung der Antworten findet überwiegend asynchron statt, weil die Nutzer die Applikation an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten nutzen.

Tools: Für die Aufgabe wurde als Kreativitätstechnik die Brainstorming Methode verwendet. Um die Asynchrone Arbeit zu koordinieren, verwendeten wir Google Drive. Mit diesem Werkzeug sind dann die Dokumentation und die Präsentation entstanden.

III. Fazit und Ausblick

Beim Erstellen des Konzepts wurde den Gruppenmitgliedern klar, dass Lernprozesse einen hohen Komplexitätsgrad aufweisen. Die einzelnen Lerntheorien versuchen das Lernen punktuell zu betrachten und erklären die Lernprozesse unter einem bestimmten Schwerpunkt.
Allerdings kann das Beherrschen eines bestimmten Lerngegenstandes nicht mit nur einer Theorie erklärt werden. Schon beim Erschließen des Wissens, in unserer Applikation beim Abfotografieren der Pflanzen, wird deutlich, dass ein Lernprozess an mehrere Theorien gleichzeitig anknüpft. Daher sind in unserer Applikation sowohl objektivistische als auch konstruktivistische und sozio­kulturelle Ansätze vertreten. Belohnung mit Punkten und Trophäen kann mit Behaviorismus erklärt werden. Hierarchie­ und Kategoriebildung sind eng mit dem Kognitivismus verknüpft. Selbstbestimmtes Lernen, die Konstruktion der eigenen Wahrheit und der soziale Aushandlungsprozess können mit der konstruktivistischen Lerntheorie untermauert werden.

Während der Präsentation unserer Applikation ergaben sich noch weitere Anregungen. So könnte der konstruktivistische Ansatz ausgebaut werden, indem Bestimmungsergebnisse diskutiert werden können. Dabei ließe sich der Erkenntnisprozess insofern unterstützen, dass der Schrittfolge der Pflanzenbestimmung visualisiert wird und dadurch erkennbar wird, in welchen Punkten der Nutzer mit seiner Meinung von den anderen abweicht.

Die Applikation wurde für Flora­-Welt entwickelt, allerdings ist ein breiterer Einsatz denkbar. Mit derselben Methode kann ein beliebiger Lerngegenstand erlernt werden, beispielsweise die Tier­ und Insektenwelt, aber auch Architektur und Kunst in Form von Gemälden oder Skulpturen.

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Autor: Krzysztof