Lügen in der politischen Kommunikation

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Unter den durch Ordnungsrufe und Rügen geahndeten sprachlichen Entgleisungen im Deutschen Bundestag hält die Schmähung -Lügner!- einen Spitzenplatz inne. In der Politik scheint die Lüge zu einer ebenso verbreiteten wie vom Publikum auch nicht anders erwarteten Üblichkeit politischer Kommunikation geworden zu sein. Dabei ist das Phänomen keineswegs neu: Seitdem es Politik gibt, gehört die Lüge zum sprachlichen Arsenal derjenigen, die sie betreiben. Und seit der Antike beschäftigen sich Philosophie, Theologie und Politikwissenschaft mit dem Phänomen der Lüge in der politischen Kommunikation. Wie auch immer die Lüge nun zur Wahrheit in Beziehung gesetzt wird, unumstritten ist, dass die Lüge erst vor dem Hintergrund einer zumindest grundlegenden Vorstellung davon, was Wahrheit sei, in den Augen des Beurteilenden zu einer Lüge wird.

Die Seite der Wahrheit aber zu vertreten, schreiben Politiker sich selbst gerne zu - nicht nur in Diktaturen, die systematisch auf die Lüge gegründet sind, sondern auch in rechtsstaatlichen Demokratien, in denen die politischen Akteure in kommunikativ spezifischen Wahlkämpfen um die Zustimmung der Bürgerschaft konkurrieren. Das Seminar wird zunächst die verschiedenen Einschätzungen der Lüge nachzeichnen: von den Positionen, denen die Lüge als absolut verboten gilt, über die Autoren, die die Lüge generell ablehnen, aber in bestimmten Situationen für zulässig halten, bis zu denjenigen, die die Lüge nicht nur in Ausnahmesituationen, sondern in allgemeinerer Form für erlaubt halten. Besonderes Augenmerk gilt der Untersuchung der definitorischen Kriterien, anhand derer eine Aussage als Lüge ausgewiesen werden kann, um die Frage nach der moralischen Zulässigkeit von Lügen in der politischen Kommunikation zu problematisieren. Darüber hinaus wird sich das Seminar auch mit den verschiedenen Erscheinungsformen der politischen Lüge beschäftigen, ob in der Wahlkampfkommunikation, als Instrument zur Erhaltung politischer Handlungsfähigkeit und somit geradezu Funktionsbedingung für Demokratie oder in die strategischen Zielsetzungen eines information warfare eingebettet.

Arendt, Hannah: Wahrheit und Lüge in der Politik. Zwei Essays, München 2013. Baruzzi, Arno: Philosophie der Lüge, Darmstadt 1996. Dietz, Simone: Der Wert der Lüge. Über das Verhältnis von Sprache und Moral, Paderborn 2002. Dietz, Simone: Die Kunst des Lügens. Eine sprachliche Fähigkeit und ihr moralischer Wert, Reinbek bei Hamburg 2003. Riklin, Alois (Hg.): Wahrhaftigkeit in Politik, Recht, Wirtschaft und Medien. Mit Beiträgen von Jürg Paul Müller, Alos Riklin, Peter Studer, Peter Ulrich, Bern und Göttingen 2004. von Senger, Harro (Hg.): Die List, Frankfurt a. M. 1999. von Senger, Harro: Die Kunst der List. Strategeme durchschauen und anwenden, München 2007. Seminar für Sozialwissenschaften Beachten Sie, dass Sie diesen Kurs nach den Prüfungsordnungen ab 2011 nicht besuchen dürfen, wenn Sie die für dieses Modulelement laut Fachspezifischen Bestimmungen und Modulhandbuch notwendigen Voraussetzungen noch nicht erfüllen. Universität Siegen SoSe 2014 apl. Prof. Dr. Bergem Wolfgang