Jeder Mensch kann sich sein leben lang kognitiv entfalten, leider wird das Gegenteil gelehrt, gelernt und geglaubt

Veröffentlicht am: in der Kategorie: Gehirn und Neurologie

Obwohl die Neurologen Alarm schlagen und versuchen bewusst zu machen, dass in jedem von uns unbegrenzte Entwicklungspotenziale stecken, glauben viele genau das Gegenteil. Warum? Vermutlich weil das so einfacher ist.

Von der Geburt an können wir uns praktisch unbegrenzt kognitiv entfalten. Häufig lehren die Lehrer genau das Gegenteil, die Schüler lernen dies und die Gesellschaft glaubt es.
Das einundzwanzigste Jahrhundert wird von einer neurodidaktischen Revolution geprägt, die im Gegenteil zum Glauben der letzten Jahre oder sogar Jahrhunderte steht: das Gehirn eines jeden Menschen verändert sich andauernd. Bis die Neurologen, begonnen mit Kandel dies erkannt haben, glaubte nicht nur die Wissenschaftswelt sondern auch jeder gewöhnliche Mensch, dass die kognitive Ausstattung des Menschen vor Geburt angelegt wird und danach nicht mehr beeinflusst werden kann.
Wer in diesem Blog etwas häufiger nachgelesen hat, der könnte sich überzeugen, dass ich hier genügend Geschichten beschrieben habe, wie man das Gehirn und damit die eigene Persönlichkeit und das eigene Leben völlig ohne Medikamente oder chirurgische Eingriffe verändern kann.

Wenn die Ärzte vor einem Rätsel stehen (und dies trifft auch auf die Wissenschaftler zu) meinen sie häufig, dass die Krankheit unheilbar, das Verhalten unveränderbar, oder die Verbesserung unmöglich ist. Dies ist falsch und verursacht leider gravierende Konsequenzen. Denn wenn ein gebildeter Mensch, wie ein Arzt, der sich großer Anerkennung der Gesellschaft freut, behauptet, dass die neurologische Erkrankung nicht behandelbar ist, oder die Lernschwäche nicht heilbar, wie soll sich dann der Patient selbst vom Gegenteil überzeugen können?
In den meisten Fällen (Gott sei Dank) ist der Patient weniger gebildet als der ihn behandelnde Arzt. Was wiederum dazu führt, dass die Patienten den Ärzten blind glauben und die Diagnose auch weiter innerhalb der Familie oder dem Freundes- und Bekanntenkreis weiter geben. Diese Informationen verbreiten sich und gelten als allgemein und für jedermann geltende Wahrheit. Dieser Zustand ist einfach nur traurig.

Was man früher geglaubt hat:

- Die Anatomie des Gehirns sei fest vorgegeben und sei unveränderbar,
- Nach dem Abschluss der frühkindlichen Entwicklung sei eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten nicht möglich.
- Im Alter wird die Denkfähigkeit und Merkfähigkeit nur noch schlechter.
- Verletzte oder beschädigte Gehirnzellen würden nicht regeneriert werden bzw. können nicht ersetzt werden.
- Entwicklung neuer Nervenstrukturen im Gehirn sei unmöglich
- Beschädigte Gehirnteile würden keinerlei Funktionalitäten entwickeln.

Diesen toxischen Aberglauben kann man so kurz zusammenfassen: Nach dem ein Mensch geboren wird, verändert sich sein kognitiver Zustand nur noch zum Schlechten hin.

Keiner wollte glauben, dass ein Gehirn sich durch die Übungen oder neue Erfahrungen neu strukturieren kann, dass sich die Denkleistung durch das Lösen neuer Aufgaben verbessern kann. Solche Übungen oder Praktiken galten als unbegründete Zauberei. Zu dieser Überzeugung kommt noch folgendes dazu: auch die Behandlung von Gehirnschäden, Lernschwächen oder defekten Gehirnbereiche, sei sinnfrei weil sich das Gehirn nicht verändert, außer, dass es altert.

Warum hat man so einen Quatsch über das Gehirn so lange geglaubt?

Man kann das mit dem Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung (self fulfilling prophecy) vergleichen. Es wurde nach Bestätigung von eigenen Erwartungen gesucht. Folgendes könnte es verursacht haben:
kaum jemand hat sich nach einem Gehirnschaden vollständig erholt und erlangte die volle kognitive Leistung.
Es gab kaum Wissenschaftler die die Vorgänge, die im Gehirn ablaufen, näher untersucht haben. Die haben ja geglaubt, dass im Gehirn nichts konstruktives passiert, nur dekonstruktive, also abbauende Vorgänge.
Das Denkorgan wurde als eine Machine oder ein Computer Betrachtet. Und eine Machine oder ein Computer können zwar viel leisten, wenn man ihnen was vorgibt, aber sich selbst zu regenerieren oder zu neu arrangieren, hat noch keine Machine und kein Computer geschafft.

Genau dasselbe habe ich auch geglaubt, als ich in Polen die Grundschule besucht und später das Gymnasium (dort hieß es Lyzeum) nach dem Abitur verlassen habe, und nach Deutschland gekommen bin. Meine Lehrer haben nichts von Gehirn erzählt. Vielleicht wussten sie einiges, gelehrt haben sie aber zum Gehirn und Denken nichts. Sie haben mich zum Lernen oder zum Denken nur aufgefordert.

Während meiner Zeit and er Universität in Siegen habe ich immense Schwierigkeiten gehabt die Prüfungen zu bestehen. Und daran kann ich mich erinnern als ob es gestern wäre: ich war mit  diesem Zustand nicht einverstanden, dass ich so dumm wie ich damals war, auch weiterhin bleiben muss und zwar mein ganzes Leben. Mit einer solchen Perspektive wäre glaube ich keiner einverstanden.

Siebziger und achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts brachten eine Wende

Als ich die Entdeckungen der Neurowissenschaftler aus den späten siebziger- und achtziger Jahren gelesen habe, dass sich die Nervenzellen neu arrangieren können und dass jede neue Erfahrung die emotional stark belastet ist, das Gehirnstruktur neu formt, war ich vollkommen schockiert. Gleichzeitig aber sehr froh darüber, dass ich anscheinend doch nicht so dumm bleiben muss, wie ich in der Vergangenheit war.

Der jetzige Wissensstand zum Thema Gehirn

Der jetzige Wissensstand zum Thema Gehirn hat sich genau um 180 Grad gedreht - es ist einfach genau das Gegenteil von dem, was man früher geglaubt hat:

-  Die Anatomie des Gehirns ist nicht fest vorgegeben und ändert sich ständig,
Nach dem Abschluss der frühkindlichen Entwicklung entwickelt und passt sich das Gehirn ständig an die Aufgaben an
- Im Alter wird die Denkfähigkeit und Merkfähigkeit verbessert wenn man übt.
- Verletzte oder beschädigte Gehirnzellen werden von anderen Zellen ersetzt.
- Entwicklung neuer Nervenstrukturen im Gehirn passiert ständig.
- Beschädigte Gehirnteile übernehmen Funktionen, wenn sie genutzt werden, weil neue neuronale Verbindungen hergestellt werden.

Nun jetzt ist allgemein bekannt, dass die Neuronen sich anders verhalten und dass das Gehirn viel plastischer ist, als man es früher dachte. Können wir jetzt alle eine rosarote Brille anziehen, und an die Hände halten, rumhüpfen und Kumbaja singen?

Die Plastizität der Neuronen im Gehirn bringt nicht nur Positives mit sich

Leider nicht. Denn das, was uns so große Vorteile verschafft in Hinblick auf Entwicklung von kognitiven Potenzialen, liefert auch einige negative Aspekte mit sich. Die Neuroplastizität kann nämlich in Verhaltensmuster führen, die man selbst überhaupt nicht will. Es kann also sein, dass nicht nur das Positive in Hinblick der Gehirnentwicklung verstanden werden muss, sondern auch das Negative eine tiefen Analyse bedarf. Erst dann hat man nämlich das Gesamtbild der Möglichkeiten die in einem schlummern verstanden.