Was ist Heimat für einen ausländischen Studenten, der schon länger in Deutschland lebt?

Veröffentlicht am: in der Kategorie: Die Welt

Heimat lernt man zu schätzen - meistens erst nach dem Umzug. Keiner ist von der Heimat-Thematik und -Problematik mehr betroffen, als ausländische Studenten. Immerhin wechseln jedes Jahr tausende junge Leute ihren Wohnort und begeben sich auf die Suche nach Wissen und Bildung. Dabei lernen sie wichtige Kompetenzen. Und lernen auch, dass Heimat weniger ein Ort und mehr eine Vorstellung, ein Gefühl ist.

Was ist überhaupt Heimat? Für einen ausländischen Studenten, der nach Deutschland oder in ein anderes Land wegen dem Studium umzieht, bleibt Heimat sicherlich sein bisheriger Wohnort - mit der ganzen Familie, Freunden und Bekannten. Das betrifft vor allem Studenten, die im Rahmen des Erasmus / Sokrates Austauschprogramms in ein anderes Land wechseln. Denn dieser Wechsel ist in diesen Fällen von kurzer Dauer. Nach einem, spätestens zwei Semestern ist der Austauschprogramm zu Ende und alle kehren in ihre Heimatländer zurück. Das ist aber nicht bei allen so.

Heimat ist für Manche ein Ort, für andere ein Gefühl

Ich bin aus Polen nach Deutschland gekommen um hier erstmal die Sprache zu lernen und dann ein komplettes Studium zu absolvieren. Manchmal rede ich von einer „Wiedergeburt" oder „Neugeburt" hier in Deutschland, denn ich habe hier mein Leben komplett neu begonnen. Im Sprachkurs traf ich auch viele andere Ausländer, die nach Deutschland gekommen sind um hier zu bleiben. Es sind mittlerweile 10 Jahre vergangen, seit dem ich hier lebe und ich muss zugestehen, der Heimat-Begriff, der ist bei mit mittlerweile viel weiter gefasst als ich es mit früher vorgestellt hatte. Wer über eine lange Zeit hinweg zwischen verschiedenen Ländern wechselt, für den ist Heimat sicherlich mehr ein Gefühl oder eine Vorstellung. Dagegen ist Heimat eher ortsgebunden für solche Menschen, die nur eine kurze Aufenthaltsdauer in einem anderen Land planen. Denn wer sich vornimmt ein oder zwei Jahre in einem anderen Land zu bleiben, der hat automatisch auch die Abreise und die Rückkehr auch schon fest geplant.

Die Dauer ist entscheidend ob ich Heimat ortsgebunden sehe oder nicht

Für viele Erasmus-Austauschstudenten ist sogar die kurze Trennung mit ihrer Heimat schwer zu bewältigen. Vor allem bei den Studenten, die ich kennenlernen dürfte, die aus asiatischen Ländern wie Korea, China oder Japan kommen, könnte ich beobachten, dass sie sogar in Depressionen verfallen. Sie waren in ihren Gedanken permanent bei ihrer Heimat geblieben, vermissten die Orte und vor allem die Menschen und auch einfach nur den Alltag, den sie in der Heimat gelassen haben. Sie haben zwar eine neue und kurzzeitige „Heimat" hier mit neuen Orten und Menschen, und sogar einem neuen Alltag gefunden. Allerdings war es für viele schwer sich auf diese neue Heimat einzulassen. Manche haben es geschafft und konnten ihr Erasmus-Semester zum besten Ausflug überhaupt machen. Andere wiederum haben es bereut und warteten sehnsüchtig auf den Tag, an dem der Flieger sie wieder nach Hause brachte - zu ihrer Heimat.

„Ausländer" die hier geboren werden und aufwachsen, was ist ihre Heimat?

Und was ist mit jungen Leuten, deren Eltern nach Deutschland eingewandert waren und sich entschieden hier zu bleiben? Was ist Heimat, für die, die hier mit „Migrationshintergrund" aufwachsen? Für sie ist sicherlich Deutschland eher Heimat, als alle anderen Länder. Wäre nur nicht diese Sehnsucht nach dem Land wo die Eltern aufgewachsen waren! Viele meiner Freunde sind hier in Deutschland geboren, aufgewachsen und gingen in die Schule. Später fingen sie an zu studieren und fühlten sich die ganze Zeit als Inländer. Gleichzeitig aber haben sie immer die Sehnsucht gespürt. Und zwar eine Sehnsucht das Land kennen zu lernen, in dem deren Eltern geboren und aufgewachsen waren. Diese Heimat der Eltern was für sie eine unglaublich schöne und bildhafte Vorstellung die nach einer Bestätigung suchte. Daher sind fast alle meiner Freunde mindestens ein mal im Leben in das Land ihrer Eltern gereist um zu sehen, wie die Heimat der Eltern aussieht oder ausgesehen hat. Das finde ich besonders schön.

Was ist Heimat für mich?

Für mich Persönlich ist Heimat sehr stark Menschen-bezogen. Ich empfinde kein Sehnsucht nach Orten zu den ich unbedingt zurückkehren möchte. Auch spüre ich keine Sehnsucht nach der Heimat meiner Eltern. Aber ich fühle mich sehr wohl unter Menschen, die mir viel bedeuten. Dann habe ich ein Gefühl von Heimat, ein Gefühl zu Hause zu sein und nichts mehr zu brauchen. Das Leben lehr leider einen, dass die Menschen, die für einen wichtig sind, manchmal einfach gehen. Manchmal haben sie wichtigeres zu tun oder wollen selbst nach ihrer Heimat suchen. Damit muss man sich aber glaube ich abfinden. Denn jeder hat ein Recht auf seine Heimat und jeder soll nach ihr suchen dürfen. Auch dann, wenn man der Überzeugung ist, die eigene Heimat woanders mit oder in anderen Menschen gefunden zu haben.
Das Thema Heimat ist besonders Wichtig wenn man nach dem Studium selbst entscheidet, dass man wegen dem Beruf oder einer Arbeitsstelle, oder sogar einem weiteren Studium, die Heimat woanders hin verlagert. Heimat hat einen starken emotionalen Einfluss auf uns. Das beeinträchtigt auch das Lernen und unsere Kompetenzentwicklung. Denn wer den Ort gefunden hat, an dem einem nichts mehr fehlt, erst dann kann man sich frei entfalten.

Gibt es Menschen die Heimatlos sind?

Ich habe einige meiner Freunde gefragt was die Heimat für sie bedeuten würde. Die Antworten waren vielfältig. Eine Kollegin meinte:
Ich habe vor einiger Zeit mal einen Text über das Thema Heimat geschrieben:
Heimat
Heimat ist das der Ort, wo die Familie lebt?
Oder der Ort, in dem man die erste Jahres seines Lebens verbracht hat?
Und was ist mit dem Ort, in dem man lebt?
Was passiert, wenn man seine Heimat verlassen muss?
Ist man dann Heimatlos?
Meine Heimat ist der Ort, in dem ich aufgewachsen bin. Der Ort, an dem ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe. Meine Heimat ist „mein Dorf". Ich liebe diesen Ort. Ich kenne jeden Baum, die Straßen, die Menschen, habe alle Veränderungen mit erlebt und ich habe mir immer gewünscht, niemals hier weg zu ziehen.

Ich lebe nun seit über 20 Jahre in "meinem Dorf" und ich will hier einfach nicht weg. Dafür fahre ich auch gerne über zwei Stunden jeden Tag um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. DAS ist meine Heimat, nicht das Dorf wo ich geboren wurde und nur zwei Jahre meines Lebens gelebt habe.

Jemand anders meinte wiederum:
Ich habe gerade mein Auslandssemester in Frankreich begonnen und bin dementsprechend jetzt eine längere Zeit getrennt von meinem Freund, meiner Familie und Freunden. Heimat ist für mich nicht unbedingt ein bestimmter Ort, sondern eher ein Gefühl: wenn mein Freund mich hier besuchen kommt, kommt eben ein Stück "Heimat" zu mir. Oder ich höre jeden morgen nach wie vor 1live, auch das bringt ein bisschen Heimatgefühl

Für manche ist Heimat überall:
Ich war in den vergangenen Jahren super viel in der Welt unterwegs: Erst habe ich in Leipzig studiert, dann in Israel gelebt, zuletzt war ich ein halbes Jahr in Kanada unterwegs. Was Heimat ist, ist mir erst deutlich geworden, als ich meine Heimtstadt Bielefeld verlassen hatte: Es ist der Ort, aus dem ich komme, an dem ich mich blind auskenne und einfach wohl und sicher fühle, weil ich ihn wie meine Westentasche kenne, und an dem gewisse Dinge immer gleich bleiben. Zuhause hingegen - auch ein Konzept, das sich in den letzten Jahren des Herumziehens entwickelt hat - ist für mich der Ort, an dem meine Zahnbürste ist. Damit kann ich wunderbar leben - überall!

Fürmich ist Heimat da, wo man hinfährt und sich sofort so wohlfühlt, so geborgen und vertraut, als wäre man nie weggewesen. Das kann da sein wo man geboren wurdeoder an Orten an denen man sich wohlfühlt.
Ich wohne seit 4 Jahren in Essen, komme aber eigentlich aus suhl, einem kleinen Städtchen im Thüringer Wald und jedes mal wenn ich dahin fahre und aus dem Zug steige, bin ich direkt happy, die leute grüßen dich, als wärst du nie weg gewesen und deine alten Freundschaften sind genauso wie sie schon immer waren.
Das ist für mich Heimat.

Und für andere ist eine Heimat zu wenig:
Ich brauche den PLURAL von Heimat!

Meine erste Heimat ist Berlin, die stadt in der ich geboren und 5 Jahre lang aufgewachsen bin. Ich versuche jedes Jahr mind. 2 oder 3mal wieder hin zureisen, einfach weil ich diese Stadt lebe und liebe!

Meine zweite Heimat ist Bielefeld, wo ich seit meinem 5. Lebensjahr aufwachse und mich in der ostwestfälischen Alltag intigriert habe *lach*
Gerade dadurch, dass hier meine Freunde und mein Verein, der DSC Arminia zuhause sind, ist dies auch mein Zuhause!
Es ist einfach schön, in eine "andere" Stadt zu kommen und doch zuhause zu sein

Und was ist Heimat für Dich ???