Seminar Geschichte des Briefromans

1. Kurzbeschreibung Dass Menschen durch Briefe miteinander verkehren können, privat, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern mediengeschichtlich betrachtet eine späte Erscheinung. Postsysteme gab es zwar seit der Antike, jedoch waren sie stets staatlich-administrativen Zwecken vorbehalten. Erst im Jahre 1600 wurde dem Unternehmen Taxis, das das staatlich garantierte Monopol zur Beförderung von Nachrichten inne hatte, erlaubt, Porto auf Privatbriefe zu erheben. Und das Briefgeheimnis, das seither den Raum des Privaten und Intimen definiert, ist eine Erfindung des 18. Jahrhunderts. – -Die leichte Möglichkeit des Briefschreibens muss – bloss theoretisch angesehen – eine schreckliche Zerrüttung der Seelen in die Welt gebracht haben. Es ist ja ein Verkehr mit Gespenstern ...-, kommentiert Kafka in einem Brief an Milena vom März 1922. Die Folgen, nicht zuletzt auch für die Literatur, sind wohl kaum zu überschätzen. Folgende Texte stehen, teils ganz, teils in Auszügen, auf dem Programm: Preußische Postordnung von 1712 / Beispiel für einen barocken Briefsteller / Gellert: Von einem guten deutschen Briefe / Richardson: Pamela / Fielding: Shemala / Rousseau: La nouvelle Heloise / Sophie von La Roche: Geschichte des Fräuleins von Sternheim / Goethe: Die Leiden des jungen Werther / Bettine von Arnim: Goethes Briefwechsel mit einem Kinde / Keller: Die missbrauchten Liebesbriefe / Auszüge aus Briefwechseln von Kafka / Glattauer: Gut gegen Nordwind / Derrida: La carte postale 2. Lernziele, Kompetenzen Erarbeitung eines literarischen Problemkomplexes für die Umbruchszeiten um 1800/1900; Ausbau des literarischen und medialen Grundwissens Genauer: Das Seminar gilt dem Briefroman, seinen mediengeschichtlichen Bedingungen sowie deren literatur- und kulturgeschichtlichen Folgen. Besonderes Interesse gilt dem Zusammenhang von Briefverkehr, intimer Kommunikation und Liebeskonzepten, sowie dem Verhältnis von Autor (selten Autorin) und Leserinnen, wie es im Briefroman exemplarisch zur Sprache kommt. Es soll Gelegenheit geben, mit den -Leiden des jungen Werther- ein Buch des Schulkanons in einem weiten gattungsgeschichtlichen Rahmen auch auf mediale und kommunikationsgeschichtliche Bedingungen hin zu befragen. 3. Teilnahmemodalitäten Anwesenheitspflicht während der Sitzungen! Studienleistungen in Form von Kurzreferaten, Recherchen, Exzerpten, Kurzessays Es wird erwartet, dass Sie bereit sind, kürzere Texte in Fraktur-Schrift zu lesen. 4. Modulprüfung Wissenschaftliche Hausarbeit 5. Eignung für angewandte Studiengänge Es werden geschichtliche oder genderspezifische Themen im literatur- und kulturwissenschaftlichen Kontext behandelt. 6. Weiter Hinweise Die Anschaffung der Texte von La Roche, Goethe, Keller und Glattauer ist verbindlich. Diejenigen Texte, die nicht als günstige Leseausgabe zur Verfügung stehen oder nur in kleinen Auszügen behandelt werden, werden im EWS zur Verfügung gestellt. Anmeldung Deutsch Technische Universität Dortmund SoSe 2014 Deutsch BaMa 2005 (Bachelor) Lück Christian