Wieso wird die Kreativität der Kinder in der Schule NICHT gefördert?

Veröffentlicht am: in der Kategorie: Besser Lernen

Schulen können keine Kreativität bei den Schülern fördern, weil sie selbst unkreative Systeme sind. Man könnte zwar erwarten, dass sie das Einfallsreichtum der Schüler steigern. Leider haben wir mit dem Gegenteil zu tun.

Schule soll eigentlich die Kreativität der Kinder fördern - kann man denken. Leider scheint es genau umgekehrt zu sein als erwartet. Denn je länger gehen die Schüler in die Schule, desto weniger kreativ werden sie. Wie kann das sein? Wieso werden Institutionen erschaffen, die genau das Gegenteil dessen bewirken, wozu sie ins Leben gerufen wurden.

Eine Antwort auf diese Frage findet man ebenso in dem Gespräch zwischen Richard David Precht und Gerald Hüther:

Das große Problem besteht darin, dass ein ziemlich unkreatives Bildungssystem, angefangen von den Personen einzelner Lehrer - natürlich nicht aller Lehrer, über Schuldirektoren, über Kultusbürokraten, Kinder zur Kreativität erziehen soll. Wie soll das gehen?

Ist ne gute Idee. Nein, da sind Strukturen entstanden, also in den Köpfen der Leute, die schwer zu ändern sind, die sich nur dann ändern, wenn die Menschen auch eine Idee davon entwickeln, wie es anders sein könnte und dass es überhaupt anders geht. Und zweitens sind natürlich Verwaltungsstrukturen, innerhalb der Schulen entstanden. Sozusagen dieses gesamte Schulsystem in seiner Organisationsform, und das lässt sich auch schwer verändern. Da gibt es diesen wunderbaren Satz: „Wenn Du den Sumpf austrocknen willst, dann darfst du nicht die Frösche fragen". Und vielleicht wird es einfach notwendig, dass wir nicht länger fragen: liebe Kultusministerien ändert die Schulen!, sondern wird es notwendig, dass wir uns selbst auf den Weg machen. Dass endlich Bürger sich auf den Weg machen und eine Transformation dieses gegenwärtigen Schulsystems in Gang bringen aber nicht irgendwo sondern vor Ort, in ihre Kommune. Dort wachsen die Kinder heran, die später mal dort leben wollen, die dort die Zukunft gestalten wollen und die man dort braucht. Sonst kann in Zukunft jede Kommune zumachen.

Wie kann man den jetzigen Zustand ändern?

Wie sollte eine solche Schule aussehen? Also wenn es jetzt unserer Phantasie überlassen bleibt, uns auszudenken, wie solche Schulen der Zukunft aussehen in dem all der Reibungsverlust, der im gegenwärtigen Schulsystem omnipräsent ist, überall zuspüren ist. Also Kinder die nicht gerne lernen, die nur für Klausuren lernen, die den Satz, dass man für das Leben lernt und nicht für die Schule, eigentlich als blanken Zynismus empfinden können, Kinder die eine unglaubliche Fächerfülle am Tag zu bewältigen haben und sich dabei auf nichts konzentrieren können, Kinder deren Leistungsstand ständig in Arbeiten überprüft wird - DIE zu Schülern zu machen, die gerne in die Schule gehen, oder die sogar im Zweifelsfall bereuen wenn die Ferien sind, wie sieht eine solche Schule aus? Wie wäre das Alternativmodell?

Schulen die Kreativität und Interesse am Lernen steigern

Es gibt ja solche Schulen. Das sind Schulen, in denen sich Kinder gemeinsam den Stoff erarbeiten, in denen Lehrer sich selbst als Potenzialentfaltungs-Coaches verstehen, das heißt: sie versuchen nicht den Schülern etwas beizubringen, sondern sie versuchen einen Rahmen zu bauen, in dem Schüler plötzlich Interesse daran entwickeln sich selbst einen Stoff zu erschließen oder sich selbst diesen Stoff anzueignen. Und das sind auch Lehrer die in der Lage sind, aus einem zusammengewürfelten Haufen so was wie ein leistungsorientiertes Team zu machen, eine Gruppe die wirklich was will.

Lernprozesse und Potenzialentfaltungsprozesse vollziehen sich nicht im Einzelnen, sondern das sind immer Gruppenprozesse. Ich kann ja überhaupt meine Potenziale überhaupt nicht entfalten, wenn ich nicht die Möglichkeit habe mit jemand anders in Austausch zu gehen. Ich kann kein Bewusstsein meiner Selbst entwickeln, wenn ich keinen habe, in dem ich mich spiegeln kann. Ich kann keine Vorstellung über die Freiheit entwickeln wenn ich mit anderen nicht darüber gesprochen habe, was Freiheit überhaupt ist. Und ich kann natürlich auch kein Gefühl für meine eigenen Möglichkeiten empfinden wenn ich nicht in der Gruppe dazu beigetragen habe mit anderen gemeinsam das zu erarbeiten und das zu entdecken mich um irgendwas zu kümmern, etwas zu gestalten. Das einzige was uns dabei verhindert sind kultusministerielle Vorgaben, die Schule so machen wie sie ist. Das sind Lehrerausbildungsprogramme, die immer noch so sind, wie sie im vergangenem Jahrhundert gewesen sind, wo Positionen behauptet werden, die möglicherweise gar nicht nötig sind.

Lehrpläne mit Schwerpunkt "planen" und nicht "lehren"

Also mit diesen Positionen meinen Sie, dass ein Referendar, wenn er Lehrer werden will, einen Unterricht nach Vorschrift machen muss. Er muss eine ganz ganz genaue Unterrichtsplanung vorlegen, wo jede einzelne Minute quasi festgelegt ist und die Antworten der Schüler stehen in diesem Bögen, die der Referendar für sich schon drin hat. Auf die arbeitet er hinaus. Und die Schüler müssen dann nichts anderes machen als ihre ganze Intelligenz nur dafür einzusetzen, herauszufinden worauf der betreffende Lehrer hinaus will. Und nun ist die Intelligenz genau das was man macht, wenn man nicht weiß was man tun soll. Aber hier wissen die Kinder ganz genau was sie tun sollen. Sie sollen ganz gezielt eine Vorgabe erfüllen. Das lässt ja ihre Potenziale völlig brach. Sie haben gerade davon gesprochen, dass die wichtigste Aufgabe der Schulen ist, die Potenziale der Kinder zu entdecken, zu fördern, und sie nicht auf irgend ein anderes Gleis zu lenken sondern, sie in ihren natürlichen Anlagen zunächst ein mal zur Blüte zu bringen. Aber setzt das nicht voraus, dass nicht nur Kultusminister andere Lehrpläne machen, setzt das nicht ganz andere Orte des Lernens voraus? Müssen Schulen nicht anders aussehen? Müssen nicht andere Menschen aus anderen Motiven Lehrer werden, damit sie solche Potenzialentfaltungs-Coaches tatsächlich sein können?

Probleme fördern Wandel zu kreativen Schulen

Natürlich muss das so sein und das wird auch so sein. Weil wir uns dieses gegenwärtige Schulsystem gar nicht mehr länger leisten können. Das ist viel zu teuer. Glauben Sie was das kostet, wenn nur ein einziges Kind in der Schule seine Lust am Lernen verliert und dann keine Lust mehr hat einen Beruf zu ergreifen und später mal irgendwann im Alkohol ein Heil sucht. Das sind Folgekosten, die wir noch gar nicht zu Ende durchgerechnet haben. Und wenn Sie sich vorstellen, dass das in vielen Schulklassen so ist, dass das nicht nur einen Schüler betrifft, sondern das betrifft zum Teil ein drittel der ganzen Klasse, wenn nicht noch mehr. Das sind riesige Potenziale, das ist riesiges Geldvolumen auch die da verschleudert werden für ein System, was sich selbst nur noch aufrechterhält. Das wird man in Zukunft nicht mehr haben, nicht mehr so aufrecht erhalten können.