Sitzen ist nicht so ungesund wie es manche behaupten

Veröffentlicht am: in der Kategorie: Karriere und Beruf

Sitzen hat in den letzten Jahren sehr viele Gegner gewohnen. Das Sitzen wird in der Presse und wissenschaftlichen Artikeln zu neuer Quelle von diversen Krankheiten erklärt. Doch die Vorteile und auch die Notwendigkeit von Sitzen gerät dabei in Vergessenheit.

Die heutigen Gesellschaften zeichnen Sitz-Berufe aus. Entsteht ein neuer Beruf, so wird der Mensch nicht mehr draußen unterwegs sein. Er sitzt im Büro oder in einem Heim-Büro und bedient einen Computer. Weil die Menschen zur Faulheit tendieren, kreieren sie auch Berufe, die sie zum Sitzen verdammen. Die Tages-Presse hat diesen Trend aufgegriffen und beschenkt uns mit Warn-Dossiers, die das Sitzen zum neuen Rauchen machen.

  • Die Welt vom 05.08.2014 schreibt: "Sitzen gefährdet Ihre Gesundheit",
  • Süddeutsche Zeitung vom 30.o7.2013: "Krank durchs Dauersitzen",
  • Die Zeit vom 15.11.2012: "Wer lange sitzt ist früher tot",
  • Der Spiegel vom 19.09.2014: "Hirnforschung: Sitzen macht dumm".

Wenn man aus rein biologischer und evolutionärer Sicht die Frage untersucht, "wozu hat der Mensch Gehirn?", kommt man zwangsweise zum Entschluss - nicht um zu denken sondern um die Körperteile und im Speziellen die Körpermuskulatur zu koordinieren. Je mehr Muskeln koordiniert werden müssen, desto stärker die Beanspruchung des Gehirns. Das bedeutet gleichzeitig, dass man bei einem Job, der überwiegend im Sitzen erledigt wird, nur die wenigsten Muskeln koordiniert werden. Und das Gehirn ist bekannt dafür, dass es sich immer auf neue Bedingungen anpasst - muss der Mensch viel "Koordinationsarbeit" leisten - do werden Nervenverbindungen geschafft, die dies ermöglichen. Muss der Mensch dagegen keine Muskeln mehr koordinieren - werden die vorhandenen Nervenverbindungen nicht mehr beanspruch und sterben ab. In sofern stimmt der Spruch "wer lange sitzt, der wird dumm".

Macht langes Sitzen wirklich dumm?

An dieser Stelle müsste man sofort aus der obigen Aussage die Konsequenzen ziehen und daran festhalten: dass jeder Mensch der in einem Sitz-Beruf seinen Lebensunterhalt verdient, automatisch verblödet. Das wären, lass mich bitte kurz überlegen, in erster Linie Beamten, alle IT-Berufe, Schriftsteller - eben menschen, die einen Computer und/oder einen Schreibtisch brauchen um ihren Job zu erledigen. Was Beamten angeht - OK, das kann ich noch verstehen, dass sie etwas anders ticken, als der Rest der Gesellschaft. Aber Schriftsteller, IT-ler, Programmierer und alle anderen die one einen Computer ihren Job nicht erledigen - werden nicht wirklich zunehmend dümmer. Ganz im Gegenteil.

IT-Berufe zielen darauf ab, die Vorgänge zu automatisieren, und zwar so, dass sie nicht mehr der Mensch sondern der Computer macht. Dadurch gewinnen die IT-ler dann ihre Zeit zurück - um beispielsweise Sport zu treiben oder einen bewegungsreichen Lebensstil zurückzugewinnen. Schriftsteller machen mehr oder weniger das Gleiche - sie verfassen ein, oder mehrere Bücher um sie dann in großen Mengen zu verkaufen um sind damit auch die Freiheit sich zu bewegen - wieder zu erkaufen. Kein Schriftsteller schreibt sein Leben lang immer erneut dasselbe Buch, oder aber an nur einem Buch sein Leben lang. Sie machen etwas, was sie vervielfältigen können.

Der Grund für diese Voreilige und meiner Meinung nach fehlerhafte Überlegungen liegt daran, dass viele denken - wer vor dem Rechner oder am Schreibtisch arbeitet - wird Dumm. Dabei werden aber nur die Tätigkeit ohne ihre Ergebnisse bewertet. Und die Ergebnisse liefern den entscheidenden Beweis für die Gegenmeinung.

Macht Sitzen in der Schule auch Dumm?

Ein weiteres Phänomen was das Sitzen angeht geschieht in der Schule - in der Schule, Universität oder in jeglichen Formen der Weiterbildung sitzt man, um sich das neue Wissen zu erschließen - das bedeutet für mich man wird cleverer und nicht dümmer. Würde das Sitzen tatsächlich nur dumm machen, müssten wir unseren Unterricht nicht im Sitzen sondern zumindest im Stehen, oder in Bewegung absolvieren. Leider ist der Schulunterricht im Stehen über so viele Stunden kaum möglich.

Welche Alternativen zum Sitzen stehen uns zur Verfügung?

Und das ist hier leider der Kern des Problems - in der Presse und sogar in den Studien, die von Wissenschaftlern durchgeführt werden (die übrigens während ihrer Arbeit überwiegend sitzen) wird davor gewarnt, dass das Sitzen nur schädlich wäre. Auf die Alternativen zum Sitzen wird leider nicht hingewiesen. Und die sind erstaunlicherweise nur begrenzt vorhanden.

Arbeit am PC kann man abwechseln im Sitzen und im Stehen erledigen. Dafür muss nur der Arbeitsplatz ausgelegt werden. Allerdings komplett auf das Sitzen am Computer zu verzichten wird nicht möglich sein. Das bestätigt jeder, der schon mal versucht hat, einen ganzen Tag am Rechner im Stehen zu arbeiten. das ist spürt man in den Beinen, der Wirbelsäule und sämtlichen Körperknochen immens. Nur stehen kann also keine ernsthafte Alternative sein. Bewegung bei der Arbeit am PC ist auch nur begrenzt möglich. Im Besten Fall kann man sich einen teueren Bürostuhl besorgen, der die sog. Trimension - also Bewegung in drei Dimensionen unterstützt. Im Laufen lässt ich ein solcher Job auch nicht bewerkstelligen. Wir landen also wieder beim Sitzen.

Sitzen ist genau so notwendig und wichtig wie Bewegung

Menschen tendieren zum radikalen Denken. Liest man, dass sitzen der Gesundheit schadet, so versucht man das Sitzen komplett abzuschaffen und mit anderen (nicht immer gesundheitsfördernden Aktivitäten) zu ersetzen. Man pendelt zwischen einem Extremum (nur Sitzen) ins andere Extremum (nur Bewegen). Dabei vergessen viele, dass die Wahrheit wie immer in der Mitte liegt. Man kann ja auch nicht entweder nur schlaffen oder gar nicht schlafen, oder nur essen oder überhaupt nichts essen. Nur lesen - oder nur schreiben. Das Spielchen mit solchen bipolaren Beispielen lässt sich unendlich treiben.

Für mich ist Sitzen genau so notwendig wie Bewegung. Ich sitze ein Drittel des Tages am Schreibtisch, ein Dritten versuche ich Sachen zu erledigen und mich dabei bewegen und das letzte Drittel schlafe ist. Das sind also: 8 Stunden Schlaf, 8 Stunden Sitzen und 8 Stunden Bewegung in irgend einer Form. Für mich ist das die gesunde Mischung. Ich fühle nicht, dass mir die 8 Stunden permanentes Sitzen schaden würden, auch die darauffolgenden 8 Stunden Bewegung empfinde ich nicht als schädlich. Und die 8 Stunden des Dauerschlafs - die mag ich am liebsten.

Die Vorteile des Sitzens

  • Da ich also nicht weniger als 8 Stunden am Tag sitze und das am besten mit einem guten Gewissen weiter hin tun möchte, hier noch eine Liste von Vorteilen die das Sitzen bietet.

  • Sogar die Bedeutung des Wortes selbst ist positiv - denn Sitzen kommt von lateinischen 'sedere' was besänftigen, beruhigen, stillen Bedeutet.

  • Neugeborene Kinder genießen es sehr wenn sie in einer Sitz-Position gehalten werden. Sie erkunden die Welt komplett anders als wenn sie liegen. Sie merken dann, dass die Welt viel interessanter ist und aus weit mehr Dingen besteht, als nur einer Zimmerdecke, die sie betrachten müssen, wenn sie liegen.

  • Im Sitzen lässt es sich viel mehr Arbeit konzentriert erledigen als in anderen Körperlagen.

  • Im Liegen wird man schnell müde, im Stehen auch. Während der Bewegung muss man auf andere Dinge aufpassen, da verlagert sich der Fokus auf andere Sachen.

  • Ich kann mir vieles mehr merken, was ich im Sitzen gelernt habe. Vermutlich hängt das mit der Lenkung der Aufmerksamkeit beim Lernen, die im Sitzen gezielter erfolgen kann.

  • Im Sitzen kann ich mich von kognitiver Belastung besser erholen, als im Stehen oder Gehen. Die Erholung ist sowohl psychisch als auch physisch.

  • Für alle die Meditieren ist es wichtig den Geist zu öffnen. Das ist nur möglich in einem Lotussitz. Zumindest so wir es seit Jahrhunderten praktiziert.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das schlechte Image von Sitzen weit überbewertet ist. Konzentriert sich man auf die Vorteile so hat man viel mehr davon.